"Warum sollte ich hier raus wollen?"
Thomas Morell Gefangener


Biographie von MARCUS SCHAEFER

Marcus Schäfer ist 1971 in Salzgitter, Deutschland geboren und aufgewachsen.
Ausbildung an der Hochschule für Musik und Theater Felix-Mendelsohn-Bartholdy in Leipzig. Lebt heute in St. Gallen und arbeitet als Theater- und Filmschauspieler sowie als Radiosprecher.
Sein erstes Engagement führte ihn 1995 für fünf Jahre an das Nationaltheater Weimar. Dort spielte er u.a. Rollen in Shakespeares Liebes Leid und Lust und in Die Nashörner unter der Regie von Katja Paryla. Seit 2001 ist er fest im Schauspielensemble des Theaters St.Gallen engagiert. Hier wirkte Marcus Schäfer in der Saison 2004/05 in Ein Sommernachtstraum, der europäischen Erstaufführung von Joshua Sobols Augenzeuge, Vom Dicken Schwein, das dünn werden wollte und als Herr Taschenbier in Paul Maars Eine Woche voller Samstage mit. In der laufenden Spielzeit spielt er Rollen in den Produktionen Minna von Barnhelm, Cinderella, Amadeus, Killing Penthesilea Wannsee Voodoo und in Tschechovs Die Möwe.


Filmografie

Jetzt oder nie /2003/ Regie: Irene Balmer
Die geheime Inquisition /2003/ Regie: Jan Peter
SK Kölsch - Turteltäubchen /2001/ Regie: Wilhelm Engelhardt
Tatort - Todesfahrt /2002/ Regie: Udo Witte
Ninas Geschichte /2002/ Regie: Joseph Orr
Heinrich der Säger /2001/ Regie: Klaus Gietinger
SOKO Leipzig /2001/ Regie: Johannes Grieser


Biographie von THOMAS MORELL

Thomas Morell wird am 23. September 1974 in Genf geboren. Der Vater Louis ist Inhaber der Privatbank De Borbon & Cie, die in der 9. Generation von der Familie geleitet wird. Auf dem jaehrlich ausgerichteten Fest auf dem familieneigenen Schloesschen an der Loire, das als Geschenk der Bank an die Kundschaft und Belegschaft verstanden wird, kommen sich Louis und Chântale naeher. Seine Mutter, die Franzoesin Chântale Audlaire ist Pariserin. Die Liaison wird von der Familie anfaenglich sehr misstrauisch beaeugt, da Chântale zwar ihr Oekonomiestudium an der Sorbonne mit Auszeichnung abschliesst und als Stagiaire in der Bank positiv auffaellt, aber nicht ueber einen eindeutigen familiaeren Hintergrund verfuegt. Sie stammt aus einer kinderreichen Arbeiterfamilie. Louis ist verliebt und setzt seine Liebe in der Familie durch. Er ist 32, sie 28 als sie heiraten. Nach dem fruehen Tod seines Vaters uebernimmt Louis als zweitaeltester von drei Jungen die Geschaeftsleitung der Bank. So hat es sein Vater im Testament bestimmt.

Sie sind fuenf Jahre verheiratet, als Thomas auf die Welt kommt. Chântale kuemmert sich um das gesellschaftliche Leben. Um das Baby kuemmert sich das Kindermaedchen. Thomas ist ein pflegeleichtes Kind, das von allen Seiten verwoehnt wird. Seinen Vater sieht Thomas nicht viel, denn die Geschaefte laufen gut und nehmen viel Zeit in Anspruch. Chântale faengt an sich zu langweilen. Die von ihr geforderte Mitarbeit in der Bank begruesst ihr Mann grundsaetzlich, allerdings bleibt er immer sehr unkonkret. Chântale ahnt, das viele Geschaefte in der Privatbank mit aeusserster Diskretion abgewickelt werden, wobei ihr Mann ihr wohl nicht das noetige vollumfaengliche Vertrauen entgegen bringt.

Thomas ist drei Jahre alt, als seine Mutter bei einem Autounfall ums Leben kommt. Chântale verliert über den Austin Martin ihres Mannes in einer Kurve die Kontrolle und prallt mit voellig uebersetzter Geschwindigkeit an einen Baum. Thomas sieht seinen Vater nun noch seltener. Dieser verdraengt den Schicksalsschlag und stuerzt sich immer mehr in die Arbeit.

Thomas hat mit vier Jahren seinen ersten asthmatischen Anfall. Das Kindermaedchen ist unfaehig zu reagieren, wie gelaehmt steht sie da. Dank der Geistesgegenwaertigkeit der Haushaelterin kann Thomas gerettet werden. Das Kindermaedchen wird daraufhin entlassen. Ein befreundeter Arzt der Familie verschreibt einen starken Asthmaspray.

Thomas verhaelt sich seiner neuen Gouvernante - einer ausgebildeten Krankenschwester - gegenueber sehr abweisend. Die beiden stehen mit ihren “Beziehungsproblem“ alleine da. Die Gouvernante ist in unbeaufsichtigten Momenten garstig zu Thomas und versucht ihn mit Schauergeschichten: “Wenn du nicht brav bist, bekommst du keine Luft mehr“, einzuschuechtern. Auf Dauer arrangieren sie sich. Thomas zieht mit seiner Erzieherin auf Anraten des Arztes der Familie fuer ein Jahr in den Luftkurort Davos.

Thomas ist fuenf als er wieder nach Genf zurueckkommt. Sein Vater ist mittlerweile 42 und hat eine Affaere mit der 24-jaehrigen Katharina von Lombowskie. Da Katharina schwanger ist wird geheiratet. Die Maedchen, eineiige Zwillinge, kommen sechs Monate nach der Hochzeit auf die Welt. Katharina hat keinerlei berufliche Absichten und krempelt dafuer den Haushalt ordentlich um. Thomas Gouvernante wird gegen den Willen von Thomas, auch sein Vater protestiert noch schwach, durch Dr. Herman Walter, den deutschen Privatlehrer alter Schule, ersetzt. Ansonsten ueberlaesst Katharina Thomas sich selbst. Der Lehrer ist streng und leistungsorientiert. Thomas rebelliert und zertruemmert in einem Wutanfall seine Geige, was eine schallende Ohrfeige provoziert. Der Lehrer erhaelt von Thomas Vater einen Verweis, wird aber von Katharina gestuetzt, und Thomas verdraengt bis auf weiteres die Traenen beim Geigenspiel.

Er hat wieder oefters Asthmaanfaelle. Eigentlich mag er den Lehrer nur, wenn dieser Geschichten aus seiner Kinder- und Jugendzeit in der Hitlerjugend und von der Wehrmacht erzaehlt. Besonders erwaehnt er immer wieder einen entfernten Onkel von Thomas: Dr. Theodor Morell, der Leibarzt von Hitler. Als Thomas seinen Vater auf diesen entfernten Onkel anspricht, muss dieser lachen, reagiert aber dann, nachdem Thomas immer weiter bohrt, unwirsch.

Thomas ist sechs als sein Stiefbruder Phillip geboren wird. An der Taufe von Phillip schlaegt er in der vollbesetzten Kirche auf seine zweijaehrigen Schwestern ein, als diese ihm das Gesangsbuch wegnehmen. Thomas kann nicht mehr aufhoeren und pruegelt die auf dem Boden liegenden Schwestern. Sein Vater reisst ihn weg und beruhigt ihn. Thomas schluchzt an der Brust seines Vaters und inhaliert den Asthmaspray.

Mit sieben darf sich Thomas verschiedene Internate anschauen. Er entscheidet sich für St. German bei Paris, allerdings schicken ihn seine Eltern ins Institut Mels am Stein in Graubuenden, da dort das Klima für einen Asthmatiker geeigneter sei. Thomas ist eher klein fuer sein Alter, allerdings kann er sehr gut reden. Er hat gerne das letzte Wort und provoziert manchmal in voller Absicht einen heftigen Disput. Thomas ist in der Gruppe des Jungeninternats geachtet, aber er hat keinen eigentlichen Freund. Mit seinem Zimmerkollegen – Moritz, Sohn eines Hamburger Kaufmanns – bildet er eine bewusste Zweckgemeinschaft, da dieser gross und kraeftig ist.

Thomas ist zehn, als er den ersten Vollrausch hat. An der Fasnacht betrinkt er sich systematisch. Moritz und er zertruemmern daraufhin die Telefonzelle im Dorf. Sie wachen in der Arrestzelle des Gemeindepolizisten auf. Ihre Eltern koennen die Angelegenheit im Guten regeln. Thomas ist zwoelf und gewoehnt sich trotz seines Asthmas das Rauchen an. Sie sind zu viert und werden von ihren Schulkollegen gerne die “Prols“ genannt. Alle in ihrer Gruppe haben sich die Haare kurz geschoren und gehen gerne zu Eishockeyspielen nach Chur. Trotzdem lesen sie die Buecher von Carlos Castaneda und hoeren harten deutschnationalen Punk. Der erste Joint kreist.

Es ist Thomas, der stolz ist, die Droge in Zürich auf der Strasse besorgen zu koennen. Er ist mittlerweile 14 Jahre alt. Bei einem Gelage im Internat bekommt Thomas einen Asthmaanfall. Die Schulleitung ist beunruhigt. Thomas wird notfallmaessig ins Krankenhaus eingeliefert. Es ist das erste Mal, dass ihn seine Eltern in Graubuenden besuchen. Sein Klassenlehrer sieht sich gezwungen einen offiziellen Verweis auszusprechen. Thomas bessert sich. Allerdings kifft die Gruppe mehr im Versteckten. Sie glauben sowieso an die deutschnationale Erhebung und an eine kurz bevorstehende Umkremplung der Werte. Allerdings aeussern sie ihre Meinungen nicht offen, da sie sich als klandestine Zelle verstehen. Die schulischen Leistungen von Thomas sind mittelpraechtig.

Thomas ist 17 als er mit Moritz zusammen auf dem Weg in den Urlaub in Zuerich auf der offenen Drogenszene halt macht. Sie kommen bei einem Bekannten unter. Nach zwei Tagen kiffen und saufen beschließen sie sich für den Konzertbesuch am Abend, die "Liebe" in die Venen zu spritzen. Sie gehen auf die offene Drogenszene. Thomas fuehlt sich hellwach und konzentriert. Er ist sich der Bedeutung seiner Entscheidung wohl bewusst. Die Angst verdraengt er im Bewusstsein auserwaehlt zu sein. Für die beiden faellt das Konzert aus. Sie kotzen waehrend der naechsten fuenf Stunden. Ziemlich geschafft kommt Thomas nach Genf. Seine Mutter meint er sei krank. Die Herbstferien verbringt Thomas zu Hause. Er hat keine Lust auf den Familienausflug nach San Francisco. Nach den Ferien bleibt er auf dem Rueckweg ins Internat wieder in Zürich haengen.

Kurz vor dem Abitur Thomas ist 19, als er vom Direktor bezueglich seines Drogenkonsums zur Rede gestellt wird. Thomas ist verladen und lallt. Umgehend wird er vom Internat weggewiesen. Seine Eltern sind erstaunt und drohen mit einer Klage wegen unterlassener Aufsichtspflicht. Der Vater organisiert in einer Genfer Privatklinik den Entzug und eine halbjaehrige Rehabilitation. Spaeter soll Thomas als Praktikant nach Paris in ein befreundetes Bankhaus geschickt werden. Sein Vater erwirkt eine Ausstellung der Musterung bei der Armee. Er haut ab und taucht auf der offenen Drogenszene in Zürich unter. Er macht regelmaessige Kurierdienste nach Amsterdam. Bei einer Grenzkontrolle im Zug kurz vor Basel wird er mit 120 Gramm Kokain, versteckt in belgischem Schokoladenpulver, angehalten. In voelliger Selbstueberschaetzung will er den Zoellnern entkommen und wehrt sich mit Haenden und Fuessen gegen seine Verhaftung.

Im Verfahren wird der 21-jährige Thomas Morell wegen Drogenbesitz zu drei Monaten bedingt verurteilt mit der Auflage eine Therapie anzufangen. Widerstand gegen die Staatgewalt und der Vorwurf des Handels werden auf Grund der Schuldeinsicht fallengelassen. Mehr sei nicht zu machen gewesen, meinen die Anwaelte der Morells. Sein Vater spendet einer karitativen Institution einen namhaften Betrag.

Thomas entschliesst sich das Abitur auf einem oeffentlichen Gymnasium in Genf nachzumachen. Seine Mutter besteht darauf, dass er aus Sicherheitsgruenden vom Chauffeur gebracht und abgeholt wird. Thomas widersetzt sich und sein Vater erlaubt ihm schliesslich mit dem Fahrrad zu fahren. Thomas verliebt sich in eine Mitschuelerin. Seine Chancen stehen nicht schlecht, ist er doch etwas aelter und haftet ihm doch der Hauch des erfahrenen Mannes an, was er mit seiner geheimnistuerischen Art durchaus unterstützt. Gerne bietet er seine Weltverschwoerungstheorien feil, eine krude Mischung aus sozialistischen Elementen, Erweckungschristentum und geheimbuendlerischem Wissen, das nur Auserwaehlten zufaellt.

Thomas ist 22 als er das Abitur besteht. Seine Fachrichtung mit Latein weist ihm den Weg in eine geistes- oder sozialwissenschaftliches Studienrichtung. Sein Vater schlaegt zwar Jura in Genf vor, doch Thomas will in Zürich Philosophie studieren. Seiner Mutter sind seine Berufswuensche egal, für sie ist sein Stiefbruder Phillip so oder so der natuerliche Stammhalter der Familie. Trotzdem laesst sie kein gutes Haar an Thomas Freundin Eveline. Eveline ist Anwaltstocher und sehr selbstbewusst und zielorientiert. Doch Thomas Mutter schickt sie oefters nach Hause, als sie nach Tho-mas fragt. Sie verleugnet Thomas, goennt ihm sein Glueck nicht.

Eveline wird das Getue zu bunt und will von Thomas eine Entscheidung, ob sie zusammen ziehen oder nicht. Thomas zoegert und hat Angst vor der Bindung. Eines Morgens ueberrascht er Eveline mit einem andern jungen Mann in ihrem Bett. Die beiden bemerken ihn nicht. Für Thomas ein willkommener Anlass nach Zuerich zu fahren und in Selbstmitleid zu ertrinken. Es geht sehr einfach und er hat seinen Stoff zu Traeumen wieder. Thomas fuehlt sich gut gepanzert und er kann die Fassade ganz locker aufrechterhalten.

Er zieht mit 23 Jahren nach Zürich. Wohnung und Unterhalt werden von zu Hause uebernommen. An der Uni wird er nicht heimisch, im vermehrten Drogenkonsum schon eher. Man kennt ihn auf der Gasse, nennt ihn den Banker. Er will von dem Image des Herrensoehnchens weg und gibt sich besonders ruecksichtslos. Ein paar Mal ueberfaellt er mit einem Kollegen an Bankomaten Leute, die gerade Geld abgehoben haben. Sie drohen mit einer Spritze und schreien laut: Aids, Aids.

Thomas macht mit einer Kollegin und einem Bekannten aus dem Drogenmilieu nach einer Schmuggelfahrt nach Amsterdam in Basel einen Halt, um Ware auszuliefern. Es entbrennt ein Streit ums Geld. Thomas sagt, er lade alle in ein Fünfstern Lokal ein. Drei, vier Bankomaten und die Sache sei geritzt. Eine aeltere Frau wehrt sich, Thomas sticht mit der Spritze zu. Auf ein Mal hat sein Kumpel ein Klappmesser in der Hand. Thomas reisst ihm das Messer aus den Haenden und sticht 29-mal zu. Mit solcher Wucht, dass er seinem Opfer fuenf Rippen bricht und das Brustbein eindrueckt, wie der Polizeibericht festhaelt. Sein Kumpel ergreift die Flucht. Die 63-jaehrige Frau erliegt am Tatort ihren Verletzungen. Thomas hat einen Asthmaanfall und schleppt sich weg. Verschiedene Passanten beobachten ihn. Fuenf Tage spaeter wird er bei einer Razzia auf der offenen Drogenszene in Zuerich verhaftet. Er leistet keinen Widerstand. Waehrend den Verhoeren schweigt er. Die Eltern sind bestuerzt und beteuern nichts von der erneuten Drogenabhaengigkeit ihres Sohnes bemerkt zu haben. Die Anwaelte wollen auf Grund verminderter Zurechungsfaehigkeit auf fahrlaessige Toetung plaedieren. Doch am Prozess redet Thomas, steht zu seiner Tat, erklaert sich für zurechnungsfaehig und sagt zum Motiv: Es war das Geld und nur das Geld, was er gebraucht habe: 7 Jahre für vorsaetzliche Toetung. Am 7. August 1999 tritt er seine Haftstrafe im Schaellemaetteli an.